Der Porsche Taycan ist der erste Alltags-Elektroporsche für die globale Serienfertigung. Wir haben die Details zum neuen Elektrorenner aus Stuttgart und sind nach der Top-Version Porsche Taycan Turbo S nun auch den „günstigeren“ Porsche Taycan 4S gefahren. Wir berichten von Erfahrungen, Reaktionen und auch zum Fahreindruck im Vergleich zu Panamera, 911 oder 718. Von Thomas Majchrzak
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Exterieur
Mit 4,96 m Länge ist der Porsche Taycan nur 9 cm kürzer als ein Porsche Panamera. Aber rein optisch sieht der Porsche Taycan deutlich kleiner und schnittiger aus. Da hat das Designteam ganze Arbeit geleistet. Das Design ist ferner nicht bewusst „Elektroauto“, sondern eher „normal Porsche“. Typisch spannungs-geprägtes Porsche-Design, starke Schultern. LED ist Standard, optional stehen Matrix-LED-Lichter zur Verfügung. Der Porsche Taycan erscheint als 4S sowie in den Top-Versionen Porsche Taycan Turbo und Porsche Taycan Turbo S. Der Tacan 4S startet mit 19-Zoll-Felgen, der Taycan Turbo startet mit 20-Zoll-Felgen, der Turbo S direkt mit 21 Zoll. Natürlich kann man auch für den Taycan 4S optional größere Felgen wählen. Hier sehen wir 20-Zoll-Aero-Felgen und die Farbe Frozen Blue Metallic.
In der Tat stellen wir fest, dass der Porsche Taycan mehr auffällt als jeder andere Porsche. Noch nie wurden wir während der Produktion so häufig auf ein Auto angesprochen, viele kannten den Taycan bereits im Grundsatz, aber gerade in der besonderen Farbe fällt er noch mehr auf. Und weiterhin interessant: Während manche andere Luxus-Autos durchaus auf geteiltes Feedback stoßen, weil sie ja aufgrund von Sportlichkeit, Überschwang, Sound oder was auch immer durchaus provozieren können oder an Ressourcen-Verschwendung erinnern, ist das Feedback auf den Porsche Taycan durchweg positiv. Das Image ist nachhaltig, gerade in der Version ohne Tierhaut im Innenraum. In der Tat haben jüngste Studien auch gezeigt, dass Elektroautos immer nachhaltiger sind als die vergleichbar großen Neuwagen-Verbrenner im Segment, auch wenn die Batterieproduktion natürlich auch nicht ohne Kosten kommt. Fazit: Der Taycan ist beliebt, nachhaltiger und so breit gesellschaftlich akzeptiert wie kein anderer Porsche.
Interieur
Das Interieur ist fast komplett mit Bildschirmen ausgestattet: Ganz links beim Fahrer beginnt es mit einem großen curved display in 16,8 Zoll. Dort kann man verschiedene Anzeige-Modi wählen, je nachdem, welche Informationen man sehen möchte – z.B. auch einen Modus, bei dem die Navi-Karte im Vollbild angezeigt wird. Die Instrumente sind also voll digital. Leider werden sie außen zum Teil vom Lenkradkranz verdeckt, wobei dies nicht ganz so ins Gewicht fällt wie beim Porsche 911. Die zentralen Instrumente sind noch gut ablesbar. In der Interieur-Mitte befindet sich ein 10,9 Zoll großes Infotainment-System, optional kann der Beifahrer ein zusätzliches Display bekommen, das wären dann drei Bildschirme. Auf dem Beifahrer-Display kann man dasselbe einstellen wie auf dem zentralen Display, etwas unnötig unser Meinung nach. Es gibt kaum noch klassische Knöpfe und Schalter, das meiste ist in die Bildschirme gewandert. Die neue Sprachbedienung hört auf das Kommando „Hey Porsche“. Für die Klima-Einheit wird ein weiterer Bildschirm in der unteren Mittelkonsole benutzt, in 8,4 Zoll. Vier Bildschirme insgesamt dann. Dort auf dem unteren Screen kann man auch Adressen fürs Navi eingeben, ansonsten dient es vorwiegend als Bedienung der Klimaeinheit – und auch als Bedienung für die Abdeckungen der Stecker und Kofferräume. Gerade die Bedienung des unteren Screens und die Temperatur-Einstellung ist kompliziert und benutzerunfreundlich. Das sieht zwar alles clean aus, aber wenn man nicht gerade alles auf 22 Grad Auto belässt, wird es schwierig.
Zeitgemäß ist nun das Material-Angebot im Interieur, wo Porsche erstmals eine komplett lederfreie/tierhautfreie Ausstattung mit modernen Strukturen der Oberflächen anbietet. Dabei kommt das Material „Race-Tex“ zum Einsatz, das wir auch hier sehen. Dieses hochwertige Mikrofaser-Material besteht zum Teil aus recycelten Polyesterfasern. Seine Produktion verursacht einen um 80 Prozent geringeren CO2-Ausstoß als die Produktion herkömmlicher Materialien. Im Bodenbelag wird die Recyclingfaser „Econyl-Garn“ verwendet, sie wird u.a. aus wiederverwerteten Fischernetzen gefertigt. Das Lenkrad ist mit Mikrofaser bezogen. Alles wirkt sportlich, edel, hochwertig. Ein Innenraum zum Wohlfühlen. Neben den ethischen Aspekten und dem Umweltvorteil ist dieses Interieur auch sportlicher und bietet einen besseren Klimakomfort, die Sitze bleiben im Sommer kühler und im Winter wärmer als bei einer glatten Oberfläche. Die Sitze sind zudem sehr bequem, man sitzt im Porsche Taycan also z.B. deutlich bequemer und auch etwas höher als im 911 oder 718.
Bei den Dekor-Elementen kann man Holz, mattes Carbon, geprägtes Aluminium oder Textil wählen. Die Schwarz-Hochglanz-Oberflächen wirken dagegen schnell etwas abgegriffen, sobald sich Staub und Fingerabdrücke dort sammeln.
Das Platzangebot reicht aus für vier große Erwachsene, genau passend. Ein Raumwunder ist der Porsche Taycan damit nicht, aber man ist gut versorgt. In der Mitte hinten ist wahlweise auch noch ein Notsitz, der aber nicht so bequem und platzreich ist. Alternativ kann man hinten eine 2 x Einzelsitze-Konfiguration bestellen. Dass man hinten trotz niedriger Sportwagen-Architektur noch gut sitzen kann, verdankt man übrigens so genannten „foot garages“, also Aussparungen bei der Batterie im Bereich des hinteren Fußraums.
Der Kofferraum fasst gut 80 l vorne, hinten gut 370 l. Das ist nicht gerade viel, für das meiste Gepäck reicht es aber. Ladekabel kann man entweder vorne im Frunk unterbringen oder hinten unter einer kleinen Kofferraumabdeckung. Die Sitze lassen sich vom Fond aus für eine längere Ladefläche auch umklappen.
Motoren
Der Porsche Taycan erhält Allradantrieb über einen Motor an der Vorderachse und einen Motor an der Hinterachse. Der an der Hinterachse besitzt ein 2-Gang-Getriebe, selten für Elektroautos. Durch diese Abstufung soll der Taycan bei höheren Geschwindigkeiten noch effizienter arbeiten.
Nachladen: 11 kW AC / 225 kW (kleine Batterie) 270 kW (große Batterie) DC peak
800-Volt-Architektur
Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
4S: 530 PS
Batterie: 79 kWh- – Preis 105.000 Euro
Jeweils 4,0 Sek. 0-100 km/h
Mit Performance Paket: 571 PS
Batterie: 93 kWh
Reichweite: 400 bzw. 460 km
Voll ausgestattet kommt unser 4S Testwagen mit Performance-Batterie-Paket aber trotzdem auf gut 160.000 Euro, wobei dies immer noch deutlich günstiger kommt als voll ausgestattete Turbos.
Beide Turbo-Versionen haben auch die 93 kWh Batterie sowie eine Grundleistung von 625 PS. Darüber hinaus haben sie eine spezifische maximale Kraft, eine „overboost power“ für 2,5 Sekunden.
Turbo: 680 PS, 3,2 Sek. 0-100 km/h, 450 km Reichweite – Preis 150.000 Euro
Turbo S: 760 PS, 2,8 Sek. 0-100 km/h, 410 km Reichweite – Preis 185.000 Euro
Fahrverhalten
Der Porsche Taycan hat die Batterien im Fahrzeugboden, insofern ist der Schwerpunkt sehr niedrig, was sich günstig auf das Fahrverhalten auswirkt. Serie ist eine 3-Kammer-Luftfederung, die adaptiv agiert. Zudem ist auch die Wankstabilisierung mit an Bord. 90 % der Bremsvorgänge im Alltag werden übrigens über die Rekuperation abgedeckt, das schont die Bremsen und bringt natürlich auch wieder bei jedem Brems- oder Rollvorgang Energie zurück zur Batterie. Dazu kann man am Lenkrad einen Modus auswählen, bei dem das Fahrzeug selber entscheidet und präventiv z.B. mehr rekuperiert, oder man wählt den Modus, bei dem der Taycan eher ausrollt und einem Verbrenner ähnlicher ist. Weil die Bremsscheiben so unterdurchschnittlich benutzt werden, hat Porsche sogar eine eigene Beschichtung für die Taycan-Bremsscheiben, damit diese bei geringer Benutzung weniger rosten.
Die Beschleunigung des Porsche Taycan Turbo S ist atemberaubend, es geht so fix vorwärts, dass man kaum Luft holen kann. Die Power ist zudem stets abrufbereit. Das Handling ist sehr ausgewogen, man spürt das Gewicht der Batterie kaum. Die Lenkung ist direkt. Der Porsche Taycan 4S ist zwar etwas „langsamer“, aber das tut der Fahrfreude keinen Abbruch. Der Porsche Taycan 4S ist ebenfalls mehr als ausreichend motorisiert. Er vermittelt dieselben agilen Tugenden wie die Spitzenmodelle. Damit ist der 4S ganz klar der bessere Price-Performance-Deal.
Wie fährt sich der Taycan gegenüber 911, 718 und Panamera? Im ruhigen Fahrwasser positioniert sich der Porsche Taycan zwischen Panamera und 911. Der Taycan ist bequemer als ein 911er, aber etwas weniger gediegen als ein Panamera. Gibt man dem Taycan aber richtig die Sporen und schmeißt ihn um die Ecken, macht sich das hohe Gewicht aufgrund des niedrigen Schwerpunkts erstaunlicherweise nicht negativ bemerkbar. Vielmehr wird der Taycan agil wie ein 911, lässt sogar geradezu ein Gefühl wie beim 718 aufkommen! Wirklich sehenswert. Je mehr man den Taycan fährt, umso stärker vermittelt er ein Gefühl, dass man ihn nicht wieder hergeben möchte. Rein vom Fahrerlebnis her und vom Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort vielleicht der beste Porsche.
Abgesehen vom Performance-Gedanken: Durch das lautlose elektrische Fahren kann man bei gemächlicher Gangart mehr entspannen. Auch höhere Geschwindigkeiten spürt man kaum, dank der guten Geräuschdämmung. Selten haben wir ein Auto bei solch hohen Geschwindigkeiten so ruhig und ausgeglichen erlebt, und das sogar, obwohl kein Motorensound eventuelle Windgeräusche überdeckt.
Auf Schnee und Eis erfahren wir, wie das Allrad-System des Taycan 4S arbeitet. Im normalen Fahrmodus mit allen eingeschalteten elektronischen Helferlein untersteuert der Taycan bewusst etwas und regelt per ESP die Räder ein, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Im Sport-Modus ist die Stabilisierung noch aktiv, aber man fährt etwas hecklastiger, kann somit besser in die Kurven hineinfahren. Im Sport-ESC schließlich kann man schon etwas mit dem Heck spielen, ohne aber potenziell völlig die Kontrolle zu verlieren. Wie bei einem Verbrenner-Porsche kann man schließlich auch beim Taycan die Stabilitätssysteme deaktivieren, und dann kommt der volle Heck-Charakter zum Einsatz und man kann den Taycan driften wie jeden anderen Allrad-Porsche mit Heck-Fokus.
Trotz Wärmepumpe wird bei niedrigen Temperaturen allerdings auch klar: Die Reichweite nimmt natürlich ab, und zwar deutlich. Im Winter sollte man also einen guten Puffer mit einplanen und nicht mit dem letzten Kilometer rechnen. Minimal rechnen wir im Winter oder bei Performance-Fahrten mit der großen Batterie mit 250 km Reichweite, bei milden Temperaturen und sachter Fahrweise eher mit 400 km. Das bestätigt auch der Alltags-Durchschnittsverbrauch von ca. 20 kWh/100 km, was bei der großen Batterie (93 kWh brutto, aber 83 kWh netto nutzbar) rein rechnerisch 415 km ergibt.
Abmessungen
Länge: 4,96 m
Breite: 1,96 – 2,14 m
Höhe: 1,37 m
Radstand: 2,90 m
Leergewicht: 2.370 – 2.380 kg
Fazit: Der Porsche Taycan ist überaus kraftvoll und steht damit weder einem Panamera Turbo S noch einem Porsche 911 Turbo S in Nichts nach, im Gegenteil – und das auch schon als Porsche Taycan 4S. Rein optisch ist der Porsche Taycan sehr schlank und agil – und er fällt mit dem Design in der Öffentlichkeit sehr auf. Gleichzeitig erhält der Taycan nur positives Feedback, der Nachhaltigkeits-Gedanke kommt sehr gut an und das ist für Porsche auch ein wichtiger Schritt. Ein Reichweitenwunder wird das Fahrzeug mit dieser Leistung eher nicht, sind die Porsche-Benziner aber auch nicht. Doch wenn man den Porsche Taycan ausgeglichen fährt und es nicht allzu kalt ist, kann man durchaus an den 400 km kratzen. Im Schnitt sollte man aber eher mit 300 plus kalkulieren, nicht dass man irgendwo doch mal hängen bleibt. Hier kann Porsche in der Effizienz nicht mit Tesla mithalten. Dafür zeigt der Porsche Taycan umso mehr Qualität in der Agilität. Krasse Sportlichkeit mit Nachhaltigkeit zu verbinden, ist nicht immer ganz leicht. Aber Porsche macht hier Schritte in die richtige Richtung, wie z.B. das komplett tierfreie Interieur, das auch angeboten wird und erste Wahl im Taycan sein sollte. Der Porsche Taycan ist auf Gaspedal-Druck ein Supercar, zeigt ein mehr als ausgewogenes Handling, fährt sich komfortabler und sportlicher zugleich als die Ikone 911.
Autogefühl: *****
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak