Wir sind mit dem legendären Ford Capri RS 2600 zu den Classic Days auf Schloss Dyck gefahren – eine coole Zeitreise in die 70er Jahre. Porsche-Jäger, Mustang-Kopie oder erstes deutsche Muscle-Car wurde er genannt – und wir durften noch einmal stilecht auf den Kordsitzen Platz nehmen. Die 150-PS-Variante des ansonsten bieder motorisierten Ford Capri war vor allem die damals billigste Möglichkeit, schnell und auffallend unterwegs zu sein. Und heute: Gucken die Leute noch mehr, wenn ein Ford Capri RS 2600 röhrend vorbeibraust.Von Holger Majchrzak
In der Classic Cars Halle bei Ford in Köln steht er bereit. Schwarz-Gelb, nicht unbedingt meine liebste Farb-Kombination als Schalke-Fan. Lange Schnauze, Doppelscheinwerfer, fließende Form. Im Design ein bisschen US-amerikanisch, ein wenig britisch, eine Spur italienisch und doch harmonisch. Für heutige Verhältnisse ein schönes, vor allem unverwechselbares Auto.
Plötzlich ist alles wieder wie damals
Ich steige in den Wagen ein, nicht mit dem Gefühl ehrfürchtiger Bewunderung, wie man sie vielleicht einem Flügeltüren-Mercedes entgegenbringt (und deswegen gibt es heute ja wahrscheinlich mehr davon auf dem Markt davon als je gebaut wurden). Vielmehr befinde ich mich plötzlich in einem Flashback. Es ist alles so vertraut. Die riesigen Kippschalter, die Sitze im etwas abgenutzten Kord. Ja, so sah 1970 ein Traumauto aus, das mit 15.800 Deutsche Mark sogar bezahlbar war. Der in den Leistungen zum Ford Capri RS 2600 vergleichbare Porsche 911 E kostete fast 27.000 Mark.
Der Motor blubbert nach dem Anlassen vor sich hin, man spürt die Kraft, die in dem 2,6-Liter V6 mit Kugelfischer-Einspritzung steckt. In neun Sekunden von 0 auf 100 km/h; Höchstgeschwindigkeit von 205 km/h. Eines der schnellsten Autos der damaligen Zeit.
Besonders gut kommen Sound und Gefühl natürlich auch im Video rüber. Hier zeigt Thomas seine Eindrücke vom Ford Capri RS 2600.
Beide mit Sonnenbrillen im coolen Oldtimer unterwegs – wir dürfen uns fühlen wie die Blues Brothers.
Ein Auto zum „Arbeiten“
Wir fahren mit dem Wagen von den Ford-Werken zu den Classic Days auf Schloss Dyck. Durch reizvolle rheinische Landschaft im Wechsel mit den tiefen Wunden der Braunkohletagebau-Gebiete und den gigantischen Kraftwerken. Ein Führerschein-Neuling dieser Tage würde sagen: der Ford Capri RS 2600 ist ein unfahrbares Auto. Er braucht brutale Tritte auf das Kupplungspedal, heftiges muskelan-spannendes Ziehen und Zerren am Lenkrad und auch die Bremse möchte nicht zart behandelt werden. Hier muss der Fahrer noch arbeiten, um Spaß zu haben. Obwohl der Capri mit der knappen Tonne eigentlich ein Leichtgewicht ist.
Der RS wurde als Wagen verkauft, mit dem auch eine Familie in den Urlaub fahren kann, aber in Wirklichkeit wurde er doch testosteronabgefüllt über die Straßen geprügelt. Man wollte doch zeigen, was der Wagen unter der Haube und der Fahrer im Gasfuß hat. Und so mancher hätte auch gern in der Rennversion gesessen. Die hatte für Einsätze im Motorsport, mit über drei Litern Hubraum und 450 PS, 1972 zum Beispiel von Walter Röhrl gefahren.
Der Ford Capri RS 2600 ist zeitlos schön
Immer wieder freuen wir uns über die Blicke vom Straßenrand bei der Überführungsfahrt. Klang des Motors und Design des Fahrzeugs sind zeitlos beeindruckend. Wir schauen auch gern der Tankanzeige zu. Der Normverbrauch ist angegeben mit 17 l / 100 km. Das kann man spielend überbieten.
Ford hat von November 1968 bis Dezember 1986 insgesamt 1.886.647 Capris gebaut. Den Ford Capri RS 2600 wollten zwar viele haben, haben sich dann aber – vernünftigerweise? – für die zahmen Motorvarianten entschieden. Heute soll es deshalb nur noch knapp 100 originale Ford Capri RS 2600geben. Um die 20.000 Euro liegt der Schätzpreis. Insider raten dazu, sich jetzt einen als Wertanlage zu kaufen – wenn sie denn nicht selber schon lange nach einen Exemplar suchen würden.
Ford Capri Geschichte
Allgemein wurde der Ford Capri von von November 1968 bis Dezember 1986 von Ford Deutschland gebaut. Die erste Generation lief bis 1973 vom Band. Von dieser ersten Baureihe (einschließlich des Capri ’73) entstanden in Deutschland etwa 784.000 Stück. Davon wurden im Inland 244.000 Exemplare verkauft. Die neue Generation erhielt eine Heckklappe sowie größere Glasflächen, was das Gewicht leicht anhobe. 1978 wurde der Ford Capri erneut überarbeitet. Als im Dezember 1986 die Capri-Fertigung endgültig eingestellt wurde, waren wie erwähnt insgesamt über 1,8 Millionen Exemplare hergestellt worden. Eine Erfolgsgeschichte.
Text: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos & Video: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Hier gibt es weitere tolle Fotos zu den Classic Days von Erkan